Vor ein paar Jahren habe ich eine abstrakte Skizze gemalt. Es ist ein kleines Bild, Aquarell auf A4-Papier. Ich hatte es sogar vergessen. Und plötzlich hat Josef Turek es in seinem Blog sehr schön interpretiert. Unter dem Titel wurde ein wunderbarer Text erstellt: „Der letzte Flug“. Ich bin begeistert!
Hier ist diese abstrakte Skizze:
Und hier ist der Text von Jozef Turek:
„Der letzte Flug“.
Herr Vogel war schon alt, alle seine Federn waren grau. Er spürte, dass das Ende nahte. Er nahm seinen letzten Flug, breitete seine Flügel aus und schloss seine Augen. Er erinnerte sich an sein Leben. Eine vage erste Erinnerung an die Zeit, als er noch im Ei war. Die Tonlage seiner Stimme, als er als Küken von seinen Eltern Essen verlangte. Sein erster Alleinflug. Nachdem er fünf Sekunden lang durch die Luft geglitten war, prallte er gegen einen Zaun. Der erste erfolgreiche unabhängige Flug. Es war ein Sommernachmittag und die Sonne wärmte das Gefieder angenehm. Er flog bis zur Abenddämmerung.
Das erste Obst selbst gepflückt. Es waren Mirabellen. Sie waren sauer, schmeckten aber paradoxerweise süß. Eine Pflaume vom Baum. Es war furchtbar und schimmelig. Das Schlimmste, was er je in seinem Leben gegessen hatte. Unmittelbar danach fand er zwei Pflaumen, die schmackhaft und süß waren, und im Gegensatz dazu erinnerte er sich an sie als die leckersten Früchte, die er je gegessen hatte. Er fand einen riesigen Wurm. Es schmeckte ihm nicht, also teilte er es mit seinem Bruder. Später lernte er, die wurmige Saftigkeit zu schätzen.
Dann folgten die Erinnerungen in rascher Folge: ein Baum, ein Baum, ein Baum, viele Käfer, eine Pflaume im Wasser, die eine Pflaume macht, viele andere Pflaumen, der Lärm, wenn Menschen Bäume fällen. Ein Baum, ein anderer Baum, wieder ein anderer Baum, eine Freundschaft mit Fledermäusen, die mit ihnen durch die Nacht fliegen.
Ein Hirschgeweih, das er als Rahmen für ein Nest verwendet. Ein Nest – nicht sehr erfolgreich und durchschaubar, aber sein eigenes. Ein Baum im Frühling, ein Baum im Sommer, ein Baum im Winter. Eine Fülle von Regenwürmern nach dem Regen. Der Zweig, den Frau Vogel mitgebracht hat, um sie zu ermutigen, gemeinsam ein Nest zu bauen. Die Eier, die sie zusammen hatten. In der Erinnerung gab es eine Vielzahl von ihnen, aber in Wirklichkeit waren es nur vier. Die violetten Blumen, mit denen sie das Nest geschmückt haben. Den Anblick genossen sie zwischen dem Nisten der Eier, das sie abwechselnd durchführten. Und schließlich die Küken, die wie kleine flauschige Bälle aussehen.
Viele weitere Erinnerungen drängten sich in sein Bewusstsein, aber er wusste, dass es genug war. Er stellte sicher, dass er ein gutes Leben hatte.
Er schlug noch ein paar Mal mit den Flügeln. Sein kleines Vogelherz hörte auf zu schlagen. Er stürzte in die Tiefen des Waldes hinab.